Mit dem Heiligen Geist auf dem Friedhof

von Swen Schönheit (seit Juni 2024 Pfarrer im Ruhestand)

Beruflich muss ich dort nicht mehr hin, und doch zieht es mich immer wieder auf Friedhöfe: vor allem auf alte mit ihrem historischen, manchmal verfallenen Gräbern. Rund 500-mal stand ich in meinem Pfarrdienst am offenen Grab, versuchte mich auf Menschen unterschiedlichster Herkunft einzustellen, zu trösten und die richtigen Worte zu finden. Trotz aller Routine: Ich habe diesen Dienst gerne getan und gerade an der Grenze des Lebens in besonderer Weise den Heiligen Geist erlebt. Schließlich hat Jesus seinen Jüngern den „Tröster“, Seinen Geist als „Beistand“ verheißen (Johannes 14 bis 16)!

Im Rahmen von Bestattungen erleben wir noch am stärksten die Reste einer Volkskirche. Der Beistand eines/einer „Geistlichen“ ist gefragt! Allerdings macht der Anteil der religiösen Bestattungen inzwischen bundesweit weniger als die Hälfte aus (Anfang der 2000er Jahre lag er bei rund 70 %). In Berlin dürfte er bei einem Drittel liegen, obwohl wir die „friedhofsreichste Stadt Europas“ sind! Selbst unter den evangelischen Kirchenmitgliedern wünschen bundesweit nur noch 72 % eine kirchliche Beisetzung. Vor 40 Jahren waren es noch 82 %, so die letzte Untersuchung zur Kirchenmitgliedschaft (KMU 6).

In meinem Dienst als Pfarrer war in den letzten Jahren alles dabei: von den gut betuchten Mantelträgern bei der Bestattung eines Schauspielers, über das voll besetzte Krematorium beim Abschied von einem Architekten, nach dem inzwischen eine Straße benannt ist, bis hin zu den einfach gestrickten Leuten, die in Jogginghose und mit Goldkettchen auf dem Friedhof erscheinen. Doch vor Gott gilt am Ende „kein Ansehen der Person“ (Römer 2,11; Galater 2,6)! Und dann kam die Beisetzung von Lieselotte. Sie hatte sich schon Jahre zuvor gewünscht, dass ich sie einmal beerdigen möge. Aber schließlich stand ich mit den Sargträgern und der Bestatterin allein am Grab. Zum großen Friedhof in Berlin Lichtenberg, wo auch die Helden des Sozialismus ihre Gedenkstätte haben, war ich mit dem Fahrrad gekommen. Lieselotte kam in den 1990er Jahren in meine Bibelstunde, doch am Ende starb sie einsam. Allerdings hielt sie bis zuletzt an Jesus fest. Was sollte ich sagen? Über das offene Grab hinweg entwickelte sich ein offenes Gespräch mit der Bestatterin über den christlichen Glauben.