NEWSLETTER | März 2021

Netze auswerfen – Netze ausbessern

Vom doppelten Auftrag der Gemeinde Jesu

von Swen Schönheit

„Mit dem Himmelreich ist es auch wie mit einem Netz, das auf dem See ausgeworfen wird und mit dem man Fische aller Art fängt. Wenn es voll ist, ziehen die Fischer es ans Ufer, setzen sich hin und lesen die Fische aus. Die guten legen sie in Körbe, aber die ungenießbaren werfen sie weg“ (Matthäus 13,47-48 | NGÜ).

Als Jesus dieses Gleichnis erzählte, sagte er seinen Hörern auf der Bildebene nichts Neues: Rund um den See Genezareth lebten viele Familien vom Fischfang. Auch unter seinen Jüngern war mindestens die Hälfte mit den Fähigkeiten eines Fischers vertraut (vgl. Joh 21,2-3). Doch welchen Gehalt hatte dieses Alltagsgleichnis? Wie ließen sich darin „die Geheimnisse des Himmelreichs verstehen“? Offenbar braucht es von Gott geöffnete „Ohren“, um die geistlichen Gesetzmäßigkeiten seines Wirkens in dieser Welt zu begreifen (Matthäus 13,8.11)!

Die Berufung der ersten Jünger war unauflöslich mit ihrer Erfahrung des Fischfangs verbunden. Bei Lukas findet sich die eindrücklich Erfahrung vom „Fischzug des Petrus“, der mit der großartigen Aussicht endet: „Du brauchst dich nicht zu fürchten. Von jetzt an wirst du ein Menschenfischer sein“ (Lukas 5,10). Dieselbe Formulierung finden wir im Bericht des Matthäus: Jesus beruft Jesus Simon, seinen Bruder Andreas und die beiden Söhnen von Zebedäus: „Kommt, folgt mir nach! Ich will euch zu Menschenfischern machen“. In dieser Berufungsgeschichte steckt etwas Bemerkenswertes, ein prophetisches Bild für den doppelten Auftrag der Gemeinde.

„Als Jesus am See von Galiläa entlangging, sah er zwei Fischer, die auf dem See ihr Netz auswarfen. … Als er von dort weiterging, sah er wieder zwei Brüder, Jakobus … und Johannes; sie waren mit ihrem Vater Zebedäus im Boot und brachten ihre Netze in Ordnung“ (Matthäus 4,18-22 | NGÜ). Offenbar waren sie ein eingespieltes Team und teilten sich die Arbeit: Der Einsatz der Wurfnetze gelingt nur, wenn sie intakt sind. Wenn Netze defekt oder verschmutzt sind, müssen sie ausgebessert werden. Das griechische Wort katartizo bedeutet: „in Ordnung bringen, reparieren, zurechtbringen“. Im orthopädischen Sinn wird ein Glied wieder „eingerenkt“. In der Pädagogik meint das Verb, dass jemand „vollständig unterwiesen“ wird (2 Kor 13,11; Gal 6,1; Lk 6,40). Im Blick auf den Leib Christi spricht Paulus von der „Ausrüstung der Heiligung“ (katartismos) für ihre jeweiligen Aufgaben, einem Ausdruck von persönlicher Reife (vgl. Eph 4,12). Netze auswerfen und Netze ausbessern, beides gehört zusammen! Was sagt uns dieses Reich-Gottes-Bild nun für die doppelte Aufgabe der Gemeinde Jesu?

In jeder lebendigen Gemeinde finden sich auf der einen Seite Menschen, deren Herz für die Einheit brennt. Sie sind an besseren Beziehungen untereinander interessiert, engagieren sich für die Ökumene und verstehen Kirche als „Leib Christi“ über konfessionelle Grenzen hinweg. Auf der anderen Seite sind da Menschen, die andere mit dem Evangelium erreichen wollen. Sie engagieren sich für Mission und Evangelisation und können sich nicht damit abfinden, dass Gemeinden zur „geschlossenen Gesellschaft“ werden. Die einen bessern die Netze aus, die anderen werfen sie aus.

Dieselbe Rollenverteilung finden wir im ganzen Land: In den letzten Jahren hat sich zunehmend der „Miteinander“-Gedanke durchgesetzt. Neue Netzwerke haben sich gebildet. Unter „Corona-Bedingungen“ vereinten sich bundesweit Hunderttausende von Gläubigen digital zum Gebet. Alte Grenzen sind längst gefallen und vor allem die junge Generation denkt nicht mehr in „Lagern“. Es gab Zeichen des Versöhnung sowohl zwischen den Kirchen als auch „Versöhnungswege“ an Orte, wo Deutschland in den Weltkriegen Schuld auf sich geladen hat. Die Bitte um Vergebung hat den Weg frei gemacht. Das Miteinander ist heute deutlich einfacher als vor einigen Jahrzehnten! Netze ausbessern … Dieses Anliegen spiegelt sich auch in gesellschaftlichen Trends: Das Stichwort „Gemeinsam für …“ macht die Runde. „Gemeinsam für Berlin“ startete ab 2002 als christliches Netzwerk für Einheit und Gebet und zur Unterstützung der Gemeinden in unserer Hauptstadt. Inzwischen sieht man den Slogan auf Bussen als Werbung für die Sparkasse!

Parallel zu dieser „Miteinander“-Bewegung erleben verschiedene Gemeinden und Gruppen in unserem Land eine ungeahnte Offenheit für das Evangelium. Während die traditionellen Kirchen in der Krise sind und um ihren Erhalt kämpfen, haben sich längst neue Gemeindeformen gebildet. Stadtteil-Initiativen erreichen Menschen, die traditionell längst nicht mehr in die Kirche gehen. Der Aufbruch unter Moslems, die sich Jesus zuwenden, geht im Wesentlichen an den etablierten Kirchen vorbei. Gott schafft sich sein Volk – aber es nimmt andere Formen an. „Schaut euch doch um! Überall reifen die Felder heran und sind schon jetzt bereit zur Ernte“ (Johannes 4,35 | NLB).

Für die kommende Zeit wird es entscheidend darauf ankommen, dass wir beide Aspekte zusammensehen können, dass wir gut Hand in Hand arbeiten und einander zuarbeiten: Die die Netze ausbessern und die sie auswerfen. Die einen werden weiterhin „mehr Miteinander“ auf dem Herzen haben, während die anderen „mehr erreichen“ wollen. Manchmal verstehen sie einander schlecht. Die Prozesse der einen sind den anderen zu unkonkret und zu wenig zielführend. Die Vorgehensweise der anderen sind manchmal losgelöst und wenig abgestimmt. Ihr braucht einander! Jesus hat euch gemeinsam berufen, ihr beiden Brüderpaare!

Als Simon-Petrus seinen gewaltigen Fischfang machte und darüber tief erschrocken war, fiel er Jesus zu Füßen. Das war die vertikale Erfahrung, die persönliche Begegnung mit Gott. Aber auch der horizontalen Ebene macht er eine Schlüsselerfahrung, indem er sich Hilfe holte: „Sie gaben ihren Gefährten im anderen Boot ein Zeichen, sie sollten kommen und ihnen helfen. Sie kamen und füllten beide Boote, sodass sie fast versanken“ (Lukas 5,7 | EÜ). Möge Gott uns diese Demut geben vor ihm und voreinander: In erster Linie brauchen wir Ihn – aber ebenso dringend brauchen wir einander!

Der Fischzug des Petrus hat Geschichte geschrieben. Der Name Petri steht für ungezählte Kirchen, die nahe am Wasser errichtet wurden. Das Bild vom „Kirchenschiff“ hat die Architektur geprägt. Und der Fisch galt den ersten Christen in Verfolgungszeiten als Geheimzeichen und findet sich bis heute als Aufkleber an den Autos mancher Christen. IXTYS (gesprochen Ichtys) ist schließlich das Akronym für „Iesous Christos theou hyios soter“: Jesus Christus, Gottes Sohn, [unser] Retter!

Diesen Jesus, der für uns Mensch wurde, am Kreuz unsere Sünde trug, am dritten Tage auferstand vom Tod und wiederkommen wird, um Gericht zu halten über alle Völker, sollen wir in die Welt tragen. „Simon Petrus … zog das Netz an Land. Es war voll von großen Fischen, im Ganzen 153. Und trotz dieser Menge riss das Netz nicht“, heißt es von seinem Fischzug 2.0 nach der Auferstehung Jesu (Johannes 21,11 | NGÜ). Das Evangelium muss zu allen Völkern. Nur gemeinsam können wir die Netze einholen. Nur ausgebesserte Netze lassen sich sinnvoll auswerfen.

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