NEWSLETTER | Mai 2023

„Jesus ist weg!“ Was gibt’s da zu feiern?

Von unseren Schwierigkeiten mit Himmelfahrt

von Swen Schönheit

Was macht man nur mit diesem Tag? Am besten einen schönen Ausflug, eine Radtour, man trifft sich im Biergarten. Himmelfahrt ist ein schwieriger Tag. Vatertag, Herrentag, Tag des Herrn …? Bereits die sprachliche Verwirrung ist perfekt! Kaum ein anderer kirchlicher Feiertag ist inzwischen so sinnentleert. Auch Insidern und Kirchgängern fällt es schwer, seinen Inhalt plausibel zu machen. „Frohe Ostern!“ klingt gut. „Schöne Pfingsten“ geht auch. Doch Himmelfahrt – was gibt’s da feiern?

Wer einen Gottesdienst besucht, spricht in der Regel das Apostolische Glaubensbekenntnis mit: Jesus Christus ist am dritten Tage auferstanden von den Toten, aufgefahren in den Himmel; er sitzt zur Rechten Gottes, des allmächtigen Vaters; von dort wird er kommen …“ Wenn Jesus von der Erde wegging, in die Gegenwart seines Vaters zurückkehrte und eines Tages vom Himmel her wiederkommen wird, welchen Mehrwert hat dies für uns?

Schon von den Jüngern wird berichtet, wie sie am Tag der Himmelfahrt „noch wie gebannt zum Himmel hinaufblickten – dorthin, wo Jesus verschwunden war“ (Apostelgeschichte 1,10). Welche Perspektive blieb ihnen, nachdem ihr Meister „in den Himmel aufgefahren“ ist?

Wo Jesus nicht ist …

Himmelfahrt ist nicht nur ein schöner zusätzlicher Feiertag im Mai, sondern stellt unser Weltbild infrage. Was bedeutet „Himmel“? Und was hat der Himmel mit unserem Leben auf der Erde zu tun?

Alexander Gerst postete im Dezember 2018 von Bord der Raumstation ISS eine eindringliche „Botschaft an seine Enkelkinder“. Der deutsche Astronaut erinnert mit dem Blick „von oben“ an die Zerbrechlichkeit und Einzigartigkeit unseres „wunderschönen Planeten“ und mahnt, die Erde der nächsten Generation in einem besseren Zustand zu hinterlassen. Ein halbes Jahrhundert vor ihm umrundete der Russe Juri Gagarin als erster Mensch an Bord einer Raumkapsel die Erde. Nach seiner Rückkehr aus dem All im April 1961 wurde er (offenbar von einem West-Journalisten) gefragt, ob er bei seiner Erdumrundung Gott gesehen habe. Der hochdekorierte Kosmonaut Gagarin konnte dies nur verneinen: Gott habe er im All nicht gefunden! Entsprechend galt Himmelfahrt auch in der DDR lange Zeit nicht als Feiertag.

Laut einer Umfrage glauben 8 % der Altersgruppe U-25 tatsächlich, Himmelfahrt habe irgendetwas mit dem ersten Mann im All zu tun. Ist der Anlass für eine rauschende Ausfahrt im Mai also die „Raumfahrt Christi“?

Geht uns der Himmel verloren?

Ich finde es erstaunlich, wie wenig im Raum der Kirche vom Himmel die Rede ist. Die Lieder in unserem Gesangbuch sind voll von der Sehnsucht nach der himmlischen Heimat, sie schließen häufig mit einem Ausblick auf die Ewigkeit. Wieso ist diese Dimension unserer zeitgenössischen Verkündigung nahezu verlorengegangen. Genügt uns die Erde? Sind wir mit dem Diesseits, mit „Frieden, Gerechtigkeit und Bewahrung der Schöpfung“ so beschäftigt, dass wir nicht mehr mit der unsichtbaren Wirklichkeit rechnen? Bleibt uns von der Bibel am Ende nur ein Ratgeber, der Anweisungen gibt für ein besseres Leben auf dieser Erde?

Natürlich ist es naiv, die biblische Rede vom „Himmel“ oder der „kommenden Welt“ mit dem Kosmos zu verwechseln. Dennoch musste ich in vielen Beerdigungsgesprächen lernen, die Menschen auch darin ernst zu nehmen, dass sie ihre Angehörigen nun irgendwo „auf einer Wolke“ oder „oben bei den Sternen“ vermuten. Die Bibel hat jedoch eine andere Vorstellung von der unsichtbaren Welt, und die gilt es wiederzuentdecken!

Jesus wirkt mit uns – vom Himmel her!

Dass dem auferstandenen Christus jetzt schon „alle Macht im Himmel und auf der Erde gegeben“ ist, bildet den Schlussakkord des ersten Evangeliums (Matthäus 28,18). Die letzte Autorität des Auferstandenen wird zwar mehrheitlich nicht anerkannt, dennoch hat Gott ihm die Herrschaft über alle Völker versprochen. Damit ist ein neuer Zielpunkt für die Menschheits-Geschichte gesetzt: Gottes Friedensreich wird kommen, die Schöpfung wird am Ende erneuert!

Jesus „wirkte mit und bekräftigte das Wort“ seiner Zeugen, bezeugt das Markus-Evangelium (16,20). Es gibt tatsächlich eine „Zusammenarbeit“ (so wörtlich) zwischen Himmel und Erde. Wer Jesus nachfolgt, ist nie allein. Wir dürfen mit seiner Unterstützung und Rückendeckung rechnen!

„Vom Himmel her erwarten wir auch unseren Retter Jesus Christus“, war die Gewissheit des Paulus. Christus wird „unseren unvollkommenen Körper umwandeln und ihn seinem eigenen Körper gleichmachen“ (Phil 3,20-21). Wir haben ein Zuhause, das nicht von dieser Welt ist. Wir werden – wie der „Prototyp“ Jesus – auferweckt und ebenfalls einen unvergänglichen Leib „überziehen“. Das sind doch gute Perspektiven, ausgelöst durch Himmelfahrt! Sollte es dann nicht unsere vorrangige Aufgabe als Kirche und in den Gemeinden sein, Menschen wieder mit dem Himmel in Verbindung zu bringen?

Frohe Himmelfahrt!

Ich veröffentliche regelmäßige Newsletter zu verschiedenen aktuellen Fragen. Wenn Sie daran Interesse haben, kontaktieren Sie mich gerne!

Das könnte Sie ebenfalls interessieren

NEWSLETTER | September 2022

Täglich werden wir in den Nachrichten Zeugen von Unrecht und Gewalt. Schweigt Gott dazu? Die Bibel zeigt uns klar: Unschuldig vergossenes Blut hat immer langfristige Auswirkungen auf die Geschichte eines Landes. Die Folgeschäden sind verborgen, aber nachhaltig. Aber es gibt einen Weg zur Versöhnung: Jesus hat ihn durch seinen Sterben am Kreuz ermöglicht – für alle Nationen und in allen Generationen …

NEWSLETTER | Juni 2022

Pfingsten ist vorbei. War’s das mit dem Heiligen Geist, bis wir ihn nach einem Jahr wieder „hervorholen“ und ihm, dem Kirchenjahr entsprechend, seine Nische zuweisen? „O, komm, du Geist der Wahrheit“, haben viele in den Gottesdiensten mitgesungen. Kaum jemand scheint darüber zu stolpern, dass in einem Dutzend Kirchenlieder unseres Gesangbuchs der Heilige Geist direkt angesprochen wird. Kann man mit ihm reden, ihn bitten? Lässt er sich einladen? Und woran merkt man, dass er wirkt?

NEWSLETTER | Februar 2022

Kann man mit „Bekehrung“ Menschen locken? Im religiösen Sinn wohl kaum. Doch bezogen auf unseren Alltag geht es gar nicht anders. Wenn man sich mit dem Auto verfahren hat oder einen Abzweig verpasst, ist dies ärgerlich und kostet Zeit. So ist auch „Bekehrung“ im Sinn einer Neuausrichtung auf das Ziel hin keine Zumutung, sondern wirkt befreiend. Bekehrung – ist das noch ein Thema der Kirche?

0 Kommentare

Hinterlasse ein Kommentar

An der Diskussion beteiligen?
Hinterlasse uns deinen Kommentar!

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert