Wenn der Heilige Geist uns tröstet
von Swen Schönheit
In kirchlichen Kreisen gehört er irgendwie dazu. Im Kirchenjahr hat er seinen festen Ort zu Pfingsten. Ansonsten spielt er im Gemeindealltag keine große Rolle. Über sein Wesen und Wirken herrscht allgemein Unkenntnis. Ist er göttliche Person, oder spirituelle Energie, oder eine bloße Idee? Welche Rolle kann der Heilige Geist für unser Leben bekommen und wir können wir ihn persönlich erleben? Dazu einige Grundlagen anhand des Evangeliums nach Johannes.
Je näher dieser Abend kam, umso mehr fühlten sich die Jünger wie im freien Fall. „Wie sehr habe ich mich danach gesehnt, dieses Passamahl mit euch zu feiern, bevor ich leiden muss“, eröffnete Jesus das gemeinsame Abendessen (Lk 22,15). Doch die Jünger hatten jede Perspektive verloren. „Herr, wir wissen doch nicht einmal, wohin du gehst!“ Thomas fasste sich ein Herz und sprach aus, was die anderen Elf dachten (Joh 14,5). Unser Messias auf dem Weg zum Kreuz? Das ergab für sie keinen Sinn. Und die mehrfache Ankündigung des Meisters, er werde „drei Tage danach auferstehen“ (Mk 8,31; 9,31; 10,34)? Dafür fehlte ihnen jede innere Vorstellung. Dafür gab es kein Muster in der Geschichte ihres Volkes.
Gottes Windhauch – jetzt für alle
Jesus führt das letzte, intensive Gespräch mit seinen Jüngern einfühlsam und zielgerichtet, tröstend und zugleich herausfordernd. Johannes hat diese wertvollen Worte als „Abschiedsreden“ zusammengefasst (Joh 14-17). Hier finden wir auch die entscheidenden Aussagen über das Kommen des Heiligen Geistes. Jesus lässt ihn sozusagen hinter dem Vorhang hervortreten: den „Windhauch“ Gottes (so das hebräische Wort ruach wörtlich), der während der gesamten Geschichte Israels immer wieder auftaucht, die Geschicke des Volkes durchweht und Menschen in erstaunlicher Weise befähigt. Ja, es waren besondere Menschen: die Heerführer und Könige, die Priester und Propheten. Aber jetzt kündigt Jesus eine neue Zeit ein: Der Heilige Geist wird „für immer bei euch sein“ (Joh 14,16). Nicht nur bei einigen Auserwählten, den „Gesalbten des Herrn“. Alle sind jetzt im Blick, die Jesus nachfolgen (vgl. Apg 2,38-39)! 2
Abschied oder Aufbruch?
Wenn man dieses letzte Gespräch beim Abendessen auf sich wirken lässt, ist bei Jesus wenig von Abschiedsstimmung zu spüren. Er vermittelt geradezu Aufbruchstimmung, trotz der vor ihm liegenden Leiden. Er sieht durch den Vorhang hindurch und vermittelt seinen Freunden: „Glaubt mir: Es ist gut für euch, dass ich weggehe.“ Und dann spricht Jesus von einer Art Stabübergabe. Von einem „anderen“, der seinen Platz einnehmen wird: „Wenn ich nicht von euch wegginge, käme der Helfer nicht zu euch; wenn ich aber gehe, werde ich ihn zu euch senden“ (Joh 16,7).
Die Jünger hatten Jesus nur auf Zeit bei sich. Als Lebensgemeinschaft konnten sie ihn alles fragen und durch sein Vorbild von ihm lernen. Doch wie sollte Jesus in dieser Existenzform alle nachfolgenden Generationen erreichen? Wie könnte er jemals einer sich international ausbreitenden Christenheit seine Nähe schenken? Wie könnte er als Mensch unter Menschen alle Gebet zeitgleich erhören? Vom Heiligen Geist verspricht Jesus Dinge, die er selbst als Mensch niemals leisten konnte: „Er bleibt bei euch und wird in euch sein.“ Jesus sagt, er selbst würde in anderer Existenzform zurückkehren: „Ich werde euch nicht als hilflose Waisen zurücklassen; ich komme zu euch“ (Joh 14,16-18). Nicht mehr auf die Erde, aber in die Herzen seiner Nachfolger (Joh 14,23).
Theologisch ausgedrückt, vollzieht sich der Übergang von der „Zeit des Sohnes“ zur „Zeit des Geistes“. Der „dreieinige Gott“, die gesamte Trinität ist uns Menschen zugewandt. Doch die intensivste, ja intimste Form wird erst mit Pfingsten erreicht: durch die Ausgießung des Heiligen Geistes „über alle Menschen“ (Apg 2,17-18). Dass „Christus in euch“ lebt, dieses große „Geheimnis“ erschließt sich nur durch die Existenzform des Heiligen Geistes (vgl. Eph 3,17; Kol 1,27)! Deshalb hat der auferstandene Jesus seine Jünger angehaucht: „Empfangt den Heiligen Geist!“ (Joh 20,22).
Der Heilige Geist: einzigartiger Tröster
Jesus kündigt das Kommen des Heiligen Geistes an und gibt ihm dabei einen besonderen Beinamen: „Der Vater wird euch an meiner Stelle einen anderen Helfer geben.“ Gleich viermal wird er im Johannesevangelium mit dem griechischen Wort parakletos bezeichnet (Joh 14,16.26; 15,26; 16,7). Statt „Helfer“ kann man auch übersetzen: „Beistand, Ratgeber, Tröster“. In bestimmten Lebenssituationen brauchen wir einen Coach, eine Therapeutin, einen „Anwalt“. Das alles steckt im Begriff parakletos. Jesus selbst war für seine Schüler der beste „Ratgeber“, er ist auch jetzt unser „Fürsprecher“ bei Gott (vgl. 1 Joh 2,1), und er ist uns jederzeit nahe durch den Heiligen Geist. Durch die Präsenz des Geistes können wir Gottes Trost persönlich erleben: passgenau für unsere jeweilige Situation, in unseren Gedanken und in unserer Gefühlswelt, in schwierigen Entscheidungen und in allem, was uns gerade herausfordert.
Bibelstellen nach: Neue Genfer Übersetzung (NGÜ)


100 Jahre Berliner Erklärung (Gedenkveranstaltung 2009)
Die Berliner Erklärung 1909 verurteilte die Pfingstbewegung scharf und führte zu jahrzehntelanger Ablehnung geistlicher Gaben und Erneuerung in Deutschland.