Barnabas: Beispiel eines Ermutigers

von Swen Schönheit

Es gibt Persönlichkeiten in der Bibel, die normalerweise wenig Beachtung finden. Sie gehören nicht zu den bekannten „Helden“, waren aber enorm einflussreich. Zu ihnen gehört Barnabas, der für den Apostel Pau-lus zum Mentor und Förderer wurde. Während Paulus (ursprünglich Saulus, hebräisch Shaul) über 170-mal im Neuen Testament erwähnt wird, findet sich Barnabas nur rund 30-mal. Wer war er? Was können wir von ihm lernen als Beispiel eines Ermutigers?

Apostelgeschichte 4,36-37: Barnabas als Unterstützer

Aus dem Nichts taucht „Josef, ein Levit, gebürtig aus Zypern“ in Jerusalem auf. Offenbar war er so wohlha-bend, dass er ein Grundstück verkaufen und damit den entstehenden Sozialfonds der Urgemeinde unter-stützen konnte. Die Apostel geben Josef den hebräischen Beinamen Bar-Nabba: „Sohn der Ermutigung“. Ins Griechische übersetzt erinnert das entsprechende Wort paraklesis („Ermahnung, Ermutigung, Zuspruch, Trost“) an den Heiligen Geist: Jesus hat ihn im Johannesevangelium seinen Jüngern als parakletos verheißen (Joh 14,16.26; 15,26; 16,7): „Beistand, Fürsprecher, Ratgeber, Tröster“. Barnabas war ein Mensch mit seel-sorgerlichen Gaben, doch er ging als Mentor auch strategisch vor.

Apostelgeschichte 9,26-31: Barnabas als Brückenbauer

Saulus verursachte nach seiner dramatischen Bekehrung und seinem überraschenden Bekenntnis zum Mes-sias Jesus sogleich Konflikte in Damaskus. In Jerusalem reagierte man ihm gegenüber verständlicherweise reserviert. „Barnabas aber nahm sich seiner an, führte ihn zu den Aposteln und erzählte ihnen, wie er unter-wegs den Herrn gesehen … habe“ (Apg 9,27). Hier zeigt sich seine Qualität als Brückenbauer, Vermittler und Fürsprecher. Dennoch: Die Apostel schicken Saulus zurück in seine Heimat nach Tarsus (heute Türkei), wo er für ein Jahrzehnt lebt und wirkt (vgl. Gal 1,18-24).

Apostelgeschichte 11,19-29: Barnabas als Förderer

Die Jesusbewegung wird immer internationaler und erreicht Antiochia, die Hauptstadt der römischen Pro-vinz Syrien. Dort spielt Barnabas eine einflussreiche Rolle, „er war nämlich ein bewährter Mann, erfüllt von heiligem Geist und Glauben“ (Apg 11,24). Durch seine Gabe der Ermutigung werden viele im Glauben ge-stärkt. Doch Barnabas denkt weiter: Er erinnert sich an die Begegnung vor vielen Jahren und reist nach Tarsus, „um Saulus aufzusuchen“. So wird der spätere Apostel in die dortige Mitarbeiterschaft integriert und die beiden bilden ein großartiges Team (Apg 11,25-26). Zunächst wirkt Saulus an der Seite des Barnabas im „diakonischen“ Bereich (Apg 11,29-30).

Apostelgeschichte 13,1-4: Barnabas als Teamplayer

Als Teil der multikulturell geprägten Gemeindeleitung von Antiochia werden Barnabas (offenbar führend) und Saulus (später dazugekommen) genannt. In einer Zeit des Betens und Hörens werden „die Karten neu gemischt“: Barnabas und Saulus (Apg 13,9 erwähnt seine Umbenennung ins Lateinische „Paulus“: der Kleine, der Geringe) werden „vom Heiligen Geist ausgesandt“ und von der Gemeinde für ihre erste gemeinsame Missionsreise gesegnet. Für längere Zeit arbeiten sie als gute Teamplayer, und unterwegs hat Barnabas dem Paulus offenbar die Führung überlassen (Apg 13,46; 14,20; 15,2). Am Ende von Apg 15 ver-liert sich seine Spur.

Apostelgeschichte 15,36-41: Zwei Mentoren auf getrennten Wegen

Der Konflikt zwischen Paulus und Barnabas wird manchmal als Paradebeispiel betrachtet, dass es ja auch in der frühen Christenheit „allzu menschlich“ zugegangen sei. Wenn man in den griechischen Text schaut, ist in der Tat von „gereizter Stimmung“ die Rede. Im Kern drehte sich die Auseinandersetzung jedoch um die Frage, wie Johannes-Markus einzuschätzen sei: Paulus nahm ihm übel, dass er sie „im Stich gelassen und sich nicht an ihrem Werk beteiligt hatte“ (Apg 15,38). Wir wissen nicht, ob Markus mit dem anstrengenden Dienst überfordert war oder aus Bequemlichkeit nach Haus wollte (vgl. Apg 12,12.25). Paulus ist hier rigoro-ser, Barnabas nachsichtiger. Auch unter uns wird es immer Vertreter mit prinzipieller oder barmherziger Haltung geben. Wer hatte am Ende Recht? Mit den Aposteln war Markus zunächst als „Gehilfe“ unterwegs (Apg 13,5.13). Aus den Grüßen im Kolosserbrief geht hervor, dass er ein „Neffe des Barnabas“ war (4,10). Geradezu anrührend ist die Bemerkung im letzten uns erhaltenen Brief des Paulus: „Bringe Markus mit, wenn du kommst, denn er wird mir bei meinem Dienst nützlich sein“ (2 Tim 4,11 | NLB). Der junge Markus (vielleicht ist Mk 14,51-52 ein Hinweis auf ihn) hatte also eine Zukunft in der Mission der ersten Genera-tion! Möglicherweise spielte Barnabas für seine Entwicklung eine entscheidende Rolle.

Vor allem wäre Paulus (wie es die Apostelgeschichte beschreibt) nicht zum einflussreichen Apostel gewor-den, wenn sich Barnabas nicht um ihn bemüht, ihn aufgesucht und in die Gemeinde integriert hätte. Paulus selbst wusste das erlebte Miteinander zu schätzen: „Darum zählt weder der, der pflanzt, noch der, der be-wässert, sondern Gott, der wachsen lässt“ (1 Kor 3,7; 9,6). Wichtig bleibt festzuhalten: Sowohl Barnabas als auch Paulus arbeiteten als Mentoren und sorgten für nachhaltige Frucht: Sie suchten Teamplayer, bildeten Nachwuchskräfte aus und sorgten dafür, dass der Staffelstab an die nächste Generation weitergereicht wurde:

  • Paulus arbeitete mit Silas im Team (Apg 16,19.25; 17,10.14; 2 Kor 1,19). Er ist vermutlich mit Silvanus identisch, dem Co-Autor mehrerer Paulus-Briefe (1 Thes 1,1; 2 Thes 1,1).
  • In Aquila und Prizilla fand er Mitarbeiter, die sich zu „Hauseltern“ einer Gemeinde entwickelten (Apg 18,1-3.18; Röm 16,3-5; 2 Tim 4,19).
  • Der Arzt Lukas war Reisebegleiter des Paulus und dokumentierte für uns seinen Weg von Jerusalem bis Rom (Apg 16,10; 20,13; Kol 4,14; 2 Tim 4,11; Phm 2).
  • Schließlich gewann er in Timotheus einen „geistlichen Sohn“ und künftigen Gemeindeleiter (Apg 16,1-3; 17,14-15; 18,5; 19,22). Ihm legte er folgende weitblickende Strategie ans Herz:

„Was du vor vielen Zeugen von mir gehört hast, das vertraue zuverlässigen Menschen an, die dann fähig sein werden, wieder andere zu lehren.“ (2 Tim 2,2).

Zum Nachdenken / Fragen zum Gespräch:

Was können wir von Barnabas lernen: von seiner Herzenshaltung und Vorgehensweise?

Wo haben wir selbst „Mentoring“, Förderung und Begleitung durch andere erlebt?

Welche Möglichkeiten sehen wir, die nächste Generation gezielt zu fördern?

Bibelstellen nach der Zürcher Bibel (2007)