NEWSLETTER | Juni 2023

Der Name Jesus – verschwindet er?

Wie die Sprache unserer Gebete uns verrät

von Swen Schönheit

Beim Kirchentag ist es mir wieder aufgefallen: Die Gebete beginnen in der Regel „Gott …“ Als würde ein unsichtbares Neutralitätsgebot im Raum hängen. Gerne wird auch so gebetet: „Guter Gott“ oder „Lieber Gott“, wie ich es bei Tauf-Eltern oder -Paten erlebe. Ist die Gebetsanrede „Unser Vater“ (Matthäus 6,9) inzwischen zu männlich? Muss Gott erst noch gegendert werden oder um „die Heilige Geistkraft“ ergänzt werden? Wieso wird der Name Jesus vermieden? Ist diese Gebetsanrede nur etwas für Pietisten? Woher diese Scheu, den Namen Jesus auszusprechen? Woher kommt die „religiöse Verschämtheit“ (Wolfgang Huber) in unseren eigenen Reihen?

Es ist Kraft im Namen Jesus!

Dietrich Bonhoeffer machte in den dunkelsten Jahren unserer deutschen Geschichte die „Erfahrung …, dass allein der ausgesprochene Name Jesu eine ungeahnte Gewalt ausübt“ (Ethik, S. 61). Berauben wir uns einer entscheidenden geistlichen Kraft, wenn wir um Seinen Namen einen Bogen machen?

Wieso betete Stephanus, als sie ihn steinigten: „Herr Jesus, nimm meinen Geist auf!“ (Apostelgeschichte 7,59)? Warum wird Petrus und Johannes per Gerichtsbeschluss untersagt, den „Namen des Jesus Christus von Nazareth“ weiterhin öffentlich auszusprechen und in seinem Namen „zu sprechen oder zu lehren“ (Apostelgeschichte 4,17-18)? Ahnten sie etwas von der „ungeahnten Gewalt“ (Bonhoeffer), die in diesem Namen steckt? Und wie gehen wir heute mit einem der ältesten christlichen Lieder um, in dem Paulus bekennt: Vor dem Namen Jesus werden sich einmal „die Knie aller beugen, die m Himmel und auf der Erde und unter der Erde sind“ (Philipper 2,10)?

Jesus als humanistisches Ideal?

Nicht die Bewunderung für den guten Menschen Jesus machte die Christen im Römischen Reich zu Märtyrern, sondern das Bekenntnis: „KYRIOS IESOUS CHRISTOS“ (Jesus Christus ist der Herr)! Welchen Jesus vermitteln wir heute als Kirche? Ist es nur noch ein Jesus, der anschlussfähig ist an die Zeitströmung, der unseren Idealen entspricht und unseren menschlichen Bedürfnissen entgegen kommt? Die liberale Theologie des 19. Jahrhunderts lässt grüßen: So lehrte Adolph von Harnack an der Schwelle zum 20. Jahrhundert in Berlin, dass Jesus selbst gar nicht „in das Evangelium hinein“ gehört, „sondern er ist die persönliche Verwirklichung und die Kraft des Evangeliums gewesen und wird noch immer als solche empfunden.“ Welche Bedeutung hat Jesus dann noch für unseren Glauben? Was Willi Marxen 1975 zugespitzt formulierte, steckt heute in vielen Hinterköpfen: „Jesus war der erste Christ.“ Christsein reduziert sich auf die ethische Orientierung an Jesus als Vorbild. Doch damit wird Glaube anstrengend und die Kirche kraftlos! „Als Zivilreligion hat der Protestantismus die großen Themen wie Kreuz, Erlösung und Gnade aufgegeben und durch einen diffusen Humanismus ersetzt“, konstatiert Norbert Bolz, bis 2018 Professor für Medienwissenschaften an der TU Berlin (Zurück zu Luther, 2016).

„Jesus“ bedeutet Heil und Heilung

Nun ist der Name Jesus keine magische Formel. Doch er enthält das größte Angebot, das Gott der Menschheit jemals gemacht hat. Die Apostel bezeugten damals vor Gericht: „Im ganzen Himmel gibt es keinen anderen Namen, den die Menschen anrufen können, um errettet zu werden“ (Apostelgeschichte 4,10-12). Im hebräischen Namen JESHUA, den wir mit „Jesus“ wiedergeben, steckt die gesamte Liebe des Vaters, mit der er seinen Sohn in die Welt schickt: „Dem sollst du den Namen Jesus geben, denn er wird sein Volk von aller Schuld befreien“, bekommt Josef als Auftrag eines himmlischen Boten (Matthäus 1,21).

Hinter dem Namen Jesus steht ein ganzes Programm, mit dem der Schöpfer die Wiederherstellung seiner Schöpfung einleitet: „Der Herr [IHWH] hilft, heilt, rettet“. Wo in der hebräischen Bibel, besonders in den Psalmen vom „Heil“ Gottes, von „Rettung“ durch Gott die Rede ist, leuchtet er bereits in verborgener Weise auf: Jesus, Messias Israels und „Heiland“ der Welt (Psalm 13,6; 91,16; 96,2; 116,13; 118,14.21; Jesaja 12,2-3; vgl. Lukas 2,30-32).

Er selbst ist Quelle der Erneuerung

Wie finden wir Zugang zur entscheidenden Quelle, aus der unsere Kirche neue geistliche Kraft erhält? Die Quelle ist eine Person. Der Weg ist er selbst: der „gute Name, der über euch ausgerufen ist“ (Jakobus 2,7)! Es sind nicht zuerst unsere tollen Programme, neue Methoden oder verbesserte Strukturen, durch unsere Kirche wieder Ausstrahlungskraft entwickelt. Es ist der lebendige Gott in unserer Mitte, der sich in Christus zeigt. Seine Präsenz zieht die Menschen an. Seine Kraft verwandelt Herzen. Sein Geist ermöglicht lebendige Gemeinde. Vater, Sohn, Heiliger Geist – sie sind das perfekte Gemeindeentwicklungsteam. Darum lasst uns zu denen gehören, „die den Namen von Jesus Christus, unserem Herrn, anrufen“ (1 Korinther 1,2) – ohne religiöse Verschämtheit!

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